Schreibermühle Lychen | Brandenburg
Ökologisches Baukonzept Seniorenzentrum
In diesem Gutachten wird ein Architektur-, Nutzungs-, und Energiekonzept für die Schreibermühle in Brandenburg erarbeitet, die zu einem Seniorenwohnhaus umgenutzt werden soll.
ür ältere Menschen werden in der ehemaligen Wassermühle altengerechte Apartments mit Betreuungs- und Pflegeeinrichtung geschaffen.
Die Baumaßnahmen und der spätere Betrieb müssen in ökologischem Einklang mit der sensiblen Naturschutzlandschaft stehen. Infrastrukturelle Defizite des Standortes müssen aufgefangen werden. Um die Störung des umgebenden artenreichen Biosphärenreservates zu minimieren, soll die technische Gebäudeausstattung weitgehend für den eigenen Inselbetrieb aufgebaut werden.
Da ein großer Teil der zukünftigen Bewohner aus dem ländlichen Raum stammt, soll insbesondere diesen das Angebot der stressfreien, gärtnerischen Tätigkeit im Rahmen der jeweiligen persönlichen Möglichkeiten gegeben werden.
Das Gesamtprojekt soll demonstrativ einen umweltpolitischen Beitrag leisten. Mehrere innovative Komponenten kommen in der vorgesehenen Konstellation erstmalig zur Anwendung. Um die Prototypen zu entwickeln sowie Übertragbarkeit und Funktionstauglichkeit im Alltagsgebrauch festzustellen, wird eine begleitende Forschung durchgeführt.
Ein vom Ingenieurbüro Niewisch & Gräf 1997 erstelltes bautechnisches Gutachten schätzt die Bausubstanz der Mühle aus der Barockzeit nach Sanierung des Pilz- und Insektenbefalls aller Holzbauteile und bei Einsatz einer Kellerpumpe als erhaltenswert ein. Unter Berücksichtigung des Ausbaus zu Wohnzwecken stellt der Abtrag und Neuaufbau des Daches jedoch die wirtschaftlichere Alternative dar. 1994 unterstellt eine umwelttechnische Einschätzung keine Altlastenverdachtsflächen aus dem früheren Mühlenbetrieb, jedoch sind alle Einbauten seit 1960 weitgehend belastet und/ oder baufällig.
Durch konsequenten Wärmeschutz an den gesamten Hüllflächen, den Einbau von Wärmeschutzfenstern und -türen mit überdämmten Blendrahmen, kontrollierter Frischluftzufuhr und Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und durch die Anordnung der Räume mit dem größten Wärmebedarf und der längsten Verweildauer an den besonnten Seiten sowie neuer Wärmeverteilleitungen innerhalb des beheizten Volumens wird bei vollständiger Beheizung eine Reduktion des Heizwärmebedarfs von 82% erwartet.
Gesundheitsverträglichen Materialien minimieren Risiken und steigern die Behaglichkeit. Wohnraumwände und -decken erhalten Lehmputz, leichte Trennwände werden mit Lehm-bauplatten beplankt und mit biologischen Wandfarben behandelt. Alle Holzfenster werden mit gesundheitsverträglichen Lacken versehen und der Fußbodenbelag aus naturnahen Produkten hergestellt. Die abgeschirmte Elektroinstallation wehrt Elektrosmog ab, Sonnenschutzanlagen vermeiden Blendung und sommerliche Überhitzung.
Die Raumakustik bestimmt die Baustoffauswahl mit, da die Kommunikation der älteren Bewohner untereinander durch häufig auftretende Hörschwächen erschwert ist. Weichere Materialien mit diffusierenden Oberflächen (Holzfußböden oder Linoleum statt Keramikbelag; Lehm statt Gips-Glattputz …) kürzen die Nachhallzeit und erhöhen die Sprachverständlichkeit.
Die Erwärmung des Trink- und Brauchwassers wird mit einer 75m² großen Kollektoranlage unterstützt. Die jährliche Deckungsrate beträgt ~38%. Den Rest stellt der gerade neu installierte Ölbrenner bereit, der auf Rapsöl-Feuerung umgerüstet wird. Bei einer konventionellen, zeituhrgeschalteten Warmwasserbereitstellung am Verbrauchsort würden in diesem Projekt ~27% Zirkulationsverluste auftreten. Um diesen sehr hohen Anteil zu reduzieren – der in dieser Größenordnung in allen Warmwasserverteilnetzen heute noch hingenommen wird – soll für dieses Projekt eine innovative Strömungssteuerschaltung entwickelt werden. Hierbei wird in die Warmwasserzuleitung ein Strömungsschalter eingesetzt, der die Zirkulationspumpe einschaltet, sobald ein beliebiges Warmwasserventil an dem betreffenden Strang geöffnet wird. Der Verbraucher schließt nun für einen Moment wieder das Warmwasserventil und kann nach wenigen Sekunden Warmwasser wie gewohnt entnehmen, nachdem inzwischen die Zirkulationspumpe das Warmwasser zum Ventil gefördert hat. So werden Energieverluste durch Warmwasser-Standby und Wasserverluste durch das Leerlaufen lassen der Kaltwassersäule ohne Zirkulation vermieden. Nach dem Schließen des Warmwasserventils wird die Pumpe wieder automatisch abgestellt. Das System kann – sollte es sich nicht bewähren – ohne Kostenaufwand auf konventionellen Zeitschaltuhrbetrieb umgestellt werden.
Die Eigenwasserversorgung durch den grundstückseigenen Brunnen ist möglich. Der angetroffene Mangan- und Eisengehalt wird technisch ausgefiltert. Diese Methode ist als ökologisch unbedenklich einzustufen.
Einsparungen bei der Trinkwassernutzung sind durch die Auswahl besonderer Spararmaturen und Objekte erreichbar, wodurch der Benutzungskomfort nicht eingeschränkt wird. Als Trinkwasserersatz für die Gartenbewässerung steht Abflusswasser von den Gebäudedächern zur Verfügung. Es wird in 5m³-Zysternen dezentral gespeichert.
Für das Gebäude muss eine handhabbare, kleine Abwasserverwertung entwickelt werden, die sich in einem sehr sensiblen Gewässergebiet befindet, das hohe Anforderungen an die Qualität des gereinigten Abwassers stellt. Die herkömmliche Abwasserentsorgung führt zwangsläufig zum Verlust der durch den Menschen ausgeschiedenen Nährstoffe, insbesondere Phosphor und Stickstoff. Für die Trennung und Sammlung dieser menschlichen ‚Wertstoffe‘ kommen im Mühlengebäude Separierungstoiletten zum Einsatz, die die direkte Rückgewinnung für eine landwirtschaftliche Nutzung ermöglichen und zu einem nachhaltigen Nährstoffkreislauf führen.
Die menschlichen Fäkalien und der organische Küchenabfall sollen in aerob arbeitenden Kompostanlagen zu Bodenverbesserungsmitteln verarbeitet werden. Das Restabwasser des Mühlenhauses sowie das Gesamtabwasser aus dem Lagergebäude wird in einer naturnahen Abwasserreinigung aufbereitet. Die Pflanzenkläranlage wird als intermittierend beschickter, vertikal durchflossener, mit Schilf bepflanzter Bodenfilter aufgebaut. Das gereinigte Wasser wird oberflächig versickert und gelangt nach einer Untergrundpassage in die Vorflut (Mühlengraben).
Ein Teilstrom des Abwassers soll in einer nachgeschalteten, kleinen Pflanzenkläranlagenachbehandelt werden und als Betriebswasser für die Toilettenspülung dienen.
Die Strom-Grundlastversorgung wird über eine neue Laufwasseranlage selbst erzeugt. Erstmalig soll ein Wasserrad mit narbenintegriertem Generator angewandt werden. Für den modellhaften Charakter der Anlage und als Gestaltungselement für die Gesamtanlage zur Veranschaulichung des Nutzens der Wasserkraftanlage sollte auf ein hoch-technologisches Turbinenrad verzichtet und besser ein unterschlächtiges Wasserrad installiert werden. Der Wirkungs-grad sinkt dadurch nur geringfügig. Die Wasserfallhöhe beträgt ~2m, die Wassermenge ~0,5 m³/s, der Wirkungsgrad der Wasserkraftmaschine liegt bei ~50 %. Das Wasserrad wird von der Straße aus gut sichtbar angeordnet. Es dient somit als Blickfang und unverwechselbares Zeichen für das Apartmenthaus und den Gastwirtschaftsbetrieb.
Die Schreibermühle soll beim Um- u. Ausbau sowie beim späteren Betrieb eine Vorbildfunktion einer umweltverträglichen Abfallwirtschaft mit den Zielen übernehmen, Abfälle nicht entstehen zu lassen, unvermeidbare Abfälle weitgehend zu verwerten und alle weder vermeid- noch verwertbaren Stoffe schadlos zu beseitigen. Dieses geschieht durch ein geschultes Management und durch Platzangebote in den Apartments für eine getrennte Wertstoffsammlung.
Für die Tagesgäste der Seniorenstation wird ein abgasfreies Elektromobil eingesetzt. Hierbei wird es sich um ein Sondermodell mit 4 bis 5 Fahrgastplätzen handeln, das über den erforderlichen altengerechten Ein- bzw. Aussteige- und Sitzkomfort verfügt. Das Fahrzeug wird einen Strombedarf von ~20kWh/100km Fahrleistung haben. Die elektrische Energie wird mit einer Photovoltaikanlage über dem Parkplatz bereit gestellt.
Wissenschaftliche Begleitforschungen der Arbeitsfelder «Abwasserbehandlung» und «Warmwasserbereitstellung» wurden initiiert. Wissenschaftliche Beratung bei der Entwicklung des Wasserkonzeptes des Ingenieurbüros SanitärSystemTechnik, (Dipl.-Ing. Jochen Zeisel) leisteten
Prof. Dr. med. Henning Rüden, FU-Berlin, Fachbereich Humanmedizin, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Institut für Hygiene und
Dipl.-Ing. Bent Vansbotter, TU-Berlin, Institut für technischen Umweltschutz, Fachgebiet Hygiene.
Um eine sichere Einhaltung hygienisch einwandfreier Betriebswasserqualität zu gewährleisten wurde auf Anregung des Bundesumweltamtes eine doppelte Sicherheit vorgesehen, um potentielle Havarien risikofrei zu halten. So stehen mit der UV-Desinfektion und der Mikrofiltration gleich zwei Techniken im Betriebswasserkreis zur Verfügung, die – jede für sich – in der Lage sind, weit mehr als die zu erwartenden Restgehalte von hygienisch relevanten Bakterien im Ablauf der Vertikalbeete bis zur jeweiligen Nachweisgrenze zu reduzieren.