Sonnenenergie durchgereicht

Berlin – Schöneberg | Winterfeldtstraße 60
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Angenehmes Raumklima durch Transluzente Wärmedämmung

Ausgangspunkt
Das 1893/94 errichtete Gebäude in der Winterfeldtstraße 60 wurde im Krieg stark beschädigt. Vom Vorderhaus und rechtem Seitenflügel blieben lediglich die unteren drei Geschosse erhalten, während der linke Seitenflügel weitgehend unbeschädigt blieb.

Auf der Straßenseite wurde 1968 das dritte Obergeschoss mit einem niedrigen Notdach versehen und auf der Hofseite die ehemalige Geschossdecke als Dach verwendet. So wurde diese Etage vorläufig wieder bewohnbar.

1979 wurden Küchen und Bäder modernisiert sowie eine Zentralheizung in­stalliert und schließlich 1980 die Geschäftsräume im Erdgeschoss des Vorderhauses umgestaltet.

Umbaumaßnahmen
Durch die Planung von solidar wurden 1993 im 3.OG. statisch nicht tragfähige Bauteile im ersetzt, sowie das 4.OG und ein Dachgeschoss mit zwei Wohnebenen neu errichtet. Dadurch wurde die ursprüngliche städtebauliche Gebäudekubatur wieder hergestellt.

Da das Gebäude während der gesamten Bauzeit umfänglich sowohl gewerblich als auch zu Wohnzwecken benutzt wurde, musste die Baumaßnahme in drei Abschnitte gegliedert werden, die die Umsetzung von Nutzeren innerhalb des Hauses ermöglichten.

Im Vorgriff auf den Wiederaufbau des Vorderhauses wurden 1991/92 die Wohnung im rechten Seitenflügel im 1.OG zu Gewerberäumen für Ausstellung und Büronutzung umgebaut. Hierzu wird eine Verbindungstreppe vom EG zum 1.OG. eingeführt, die Decke über dem EG den brandschutztechnischen Anforderungen angepasst, das Nebentreppenhaus im Seitenflügel modernisiert. Ebenfalls wird in den hinteren Lagerräumen sowie Personalräume eingebaut.

1993/94 erfolgte die Aufstockung

1994/95 wurde nach dem Umzug der bisherigen Mieter im 1.OG in die oberen Etagen eine zusammenhängende Geschäftszone vom KG bis zum 1.OG für das ansässige Einrichtungshaus geschaffen. Die altbautypischen, tragenden Mittelwände wurden hierfür durch dreigeschossige Stahlkonstruktionen ersetzt.

Die Instandsetzung des 3. OG. sowie die Aufstockung wurden im damaligen Niedrigenergiestandard errichtet – der Jahresheizenergiebedarf liegt bei 60 bis 65 kWh/m² beheizte Wohnfläche und wurde durch folgende planerisch-konstruktive Maßnahmen erreicht:

  • kompakte Bauweise (Minimierung der Hüllfläche)
  • konsequenter Wärmeschutz der Gebäudehülle
  • Vermeidung von Wärmebrücken
  • thermische Zonierung durch die Grundrissgestaltung
  • direkter solarer Gewinn über Fenster und Zuordnung von Speichermassen
  • außen liegende Sonnenschutzanlagen zur Vermeidung von sommerlicher Raumüberhitzung
  • Wintergärten als thermische Pufferzonen mit großflächigen Öffnungen zur Nutzung als Balkone im Sommer
  • Transluzente Wärmedämmung «TWD» als passiv-solares Speicherwandsystem mit der Wirkung einer
  • Niedrigtemperaturstrahlungsheizung im Wohnraum
  • Thermische Solarkollektoren zur Trinkwassererwärmung
  • Extensive Dachbegrünung nach Norden, als sommerlicher Wärmeschutz und als Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas

Passiv-solarer Gewinn durch TWD
Die Transluzente Wärmedämmung (TWD) lässt die Sonnenstrahlung bis zum Absorber, einem schwarz gestrichenen Zementputz, hindurch dringen. Die Umwandlung von Sonnenlicht in Wärme erfolgt hier hinter der Wärmedämmung – und nicht auf der Außenfläche, wie bei lichtundurchlässigen (opaken) Wänden sonst üblich.

Durch Wärmeleitung gelangt die Wärme vom Absorber auf die Innenoberfläche der Wand und führt auf der Raumseite zu einer Erhöhung der Oberflächentemperatur.

Auf der nebenstehenden Thermografie (TWD Grafik 1) ist der Effekt sichtbar gemacht. Die Messungen wurden am 22.03.2005 zwischen 18:00 und 19:00 durchgeführt, ein sonnenreicher Tag mit Nachfrost. Der Mittelwert der Außenlufttemperaturen in den letzten 24h betrug 6,0°C, die aktuelle Außenlufttemperatur 11,5°C und die Temperatur des bereits verschatteten Absorbers 23,8°C.

Es ist das mittlere Zimmer einer Praxis im zweiten Obergeschoss abgebildet. Obwohl hier noch die 36cm starke Ziegel Altbauwand erhalten blieb, zeichnet sich die Fläche der Transluzenten Wärmedämmung auf der Innenseite gut erkennbar ab: Hinter der TWD wird die Wand bis zu 26,5°C (Spotmessung SP01) warm, während die Fläche hinter der opaken Dämmung nur eine Oberflächentemperatur von rund 23,5°C (SP04-SP05) erreicht.

In den oberen, aufgestockten Etagen wurde für die TWD-Wand ein 24cm starker Kalksandstein mit hoher Rohdichte und entsprechend hoher Wärmeleitfähigkeit gewählt, um die solaren Einträge optimal dem Raum zuzuführen.

Die Darstellung (TWD Grafik 2) zeigt einen Wohnraum im vierten Obergeschoss, dessen Wandtemperaturen über 30°C lagen. Da die Wärme mit Zeitverzögerung innen ankommt, wurde zum Zeitpunkt der Messung um 19:00 noch nicht das Tagesmaximum erreicht.

TWD und Südfenster ergänzen sich auf ideale Weise:
Am Tag profitiert der Raum von solarem Direktgewinn durch die Fenster, während nach Sonnenuntergang Wärme von den Wandflächen hinter der TWD abgestrahlt wird.

Die Behaglichkeit wird stark vom Temperaturunterschied zwischen der Haut des Menschen und den Wänden beeinflusst. Deshalb stellt die TWD-Wand neben dem Energiegewinn durch angenehme Oberflächentemperaturen ein für den Bewohner hohen Wohnkomfort her.

Der Heizkörper ist auf der Thermographie (TWD Grafik 2) so dunkel wie das Fenster und wird demnach zum Zeitpunkt der Aufnahme von den Bewohnern nicht zum Heizen benötigt.

Eine automatisch gesteuerte Sonnenschutzanlage verhindert eine solare Überhitzung der TWD-Wand im Sommer.

Die thermografischen Aufnahmen wurden von NETZWERK BAUEN finanziert und vom Mobilen Umweltechnologie Zentrum MUTZ ausgeführt.

Das Pjojekt wurde mit dem solar city – Berliner Solarpreis 1995 ausgezeichnet.