Solares Internetcafé der Willi-Graf-Oberschule
Berlin-Steglitz | Ostpreussendamm
» Projektstatus: Nach langjährigem, zähen Ringen ist „die Akte nun geschlossen“
Pädagogisches Konzept
Das Gebäude soll ökotechnische Funktionszusammenhänge praktisch veranschaulichen (die Schule als ökologischer Lernort). In dem klimagerechten und energiesparenden Gebäude wird das Verständnis für Wohn- und Lebensqualität durch Einbeziehung der natürlichen Umwelt gefördert. Photovoltaik und transluzente Bauteile über den Köpfen der Schüler werden das Umweltbewußtsein anregen und somit Solartechnik im Alltag verankern.
In Schüler-Arbeitsgruppen werden solare Bauelemente entwickelt und als Prototypen gebaut: Wärmespeicherzylinder oder Lichtlenkprismen optimieren das Raumklima und veranschaulichen gleichzeitig physikalische Grundprinzipien. Durch meßtechnische Erfassung und naturwissenschaftliche experimentelle Begleituntersuchungen werden so innovative Ideen in der Praxis erprobt und bieten Schülern Anreiz zur thematischen Vertiefung.
Computerarbeitsplätze ermöglichen allen Fachbereichen den Zugang zum Internet und zur internationalen Kommunikation mit den Partnerschulen des europäischen Bildungsprojektes „Schülerseminar“ in Großbritannien, Belgien, Schweden und Frankreich.
Als stadtökologisches Modellbauvorhaben wird das solare Internetcafé zur Keimzelle einer neuen Umweltpädagogik.
Architektonisches Konzept
Die ~130m² große Nutzfläche bietet Raum für Multifunktionalität: Bildschirmarbeit/ kleine Veranstaltungen/ attraktive Aufenthaltsbereiche für Diskussionsgruppen/ Versammlungen/ etc..
Blendfreie Arbeitsplatzbeleuchtung mit natürlichem Tageslicht wird durch Ausschluß von direkter Besonnung der Bildschirme gewährleistet. Es kommen verschiedene Tageslichtlenksysteme (solargeometrisch optimierte feststehende oder bewegliche Reflektoren/ light-tube etc.) zur Anwendung. Hierdurch werden der Kunstlichtbedarf und der Energiebedarf für Beleuchtung minimiert.
Zur passiv-solaren Gebäudeheizung kommen Direktgewinnsysteme wegen der Bildschirmarbeitsplatzanforderungen nur begrenzt zum Einsatz. Stattdessen werden hinter den Fenstern transluzente Speicherkörper (z.B. wassergefüllte Zylinder, Prismen etc.) aufgestellt, die mit drehbaren Dämmschalen als steuerbare Diffusoren der Direktstrahlung sowie als Wärmespeicher genutzt werden.
In Schüler-Arbeitsgruppen werden solche solaren Bauelemente entwickelt und als Prototypen gebaut:
So ist z.B. geplant, Lichtlenkprismen einzusetzen, deren Wasserfüllung Solarenergie speichert und die das Sonnenlicht zur indirekten Beleuchtung als Streiflicht in spektraler Aufteilung auf die Wände lenken. Das ergibt nicht nur ein wunderschönes Farbenspiel sondern ausserdem – nachdem die Schüler entsprechende Markierungen auf der Wand eingetragen haben – einen Sonnenkalender und eine Sonnenuhr
Auch die Wassersäulen haben eine Doppelfunktion: Sie sind steuerbare Diffusoren der Direktstrahlung und dienen als Wärmespeiche sowohl in der Heizperiode als auch im Sommer: Am sonnigen Wintertag stehen die drehbaren Dämmschalen – die den halben Zylindermantel abdecken – auf der Raumseite. So verhindern sie die Blendung am Arbeitsplatz und führen zur Erwärmung des Speichermediums Wasser in den Säulen. Nach Sonnenuntergang werden die Dämmschalen auf die Fensterseite gedreht. Nun wird die am Tag akkumulierte Wärme an den Raum abgestrahlt, solange es ein Temperaturgefälle zwischen Wasserspeicher und Raum gibt. Am nächsten Morgen beginnt das Spiel von Neuem.
Am Sommertag ist die Funktion der Blendungsminderung die Selbe, aber die thermische Funktion ist gerade ungekehrt: Nun stellen sich die Dämmschalen auf die Sonnenseite (Fensterseite) und verhindern die Aufheizung des Wasserspeichers durch die Sonne. D.h. der Wasserspeicher bleibt kühl und kann überschüssige Wärme des Raumes aufnehmen. In der Nacht wird die Dämmschale auf die Raumseite geschoben, wodurch nun der Wasserspeicher die Tageswärme an die kühle Sommernacht abgibt und so für die Wiederholung am nächsten Tag entladen wird.
An trüben Tagen werden die Dämmschalen in „Viertelposition“ oder eine andere passende Zwischenposition gebracht, sodass die ausreichende Lichtqualität innen gegeben ist. An solchen Tagen ist nichts zu speichern und zu puffern, da geht es „nur“ um die Einstellung guter Tageslichtqualität im Unterrichtsraum.
In anderen – mit transluzenter Wärmedämmung ausgestatteten – Fassadenabschnitten wird Sonnenstrahlung ebenfalls pahsenverzögert als nutzbare Wärme zu verfügung gestellt.
So werden mehrfunktionale Elemente das Raumklima optimieren und gleichzeitig physikalische Grundprinzipien veranschaulichen. Durch meßtechnische Erfassung und naturwissenschaftliche experimentelle Begleituntersuchungen werden innovative Ideen in der Praxis erprobt und bieten Schülern Anreiz zur thematischen Vertiefung. Man darf gespannt sein, was die Schülerarbeitsgruppen noch entwickeln werden.
Ein Videoprojekt begleitet die Schülerbeteiligungen sowie den Planungs- und Bauprozeß.
Ein 3d-Video, das 2003 an der Mediadesign-Akademie als Abschlussarbeit im Kurs Frau Dr. V. Falter angefertigt wurde, können sie sich hier – mit geringer Auflösung – anschauen.
Zur passiv-solaren Gebäudeklimatisierung im Sommer wird ein konvektives Kühlsysteminstalliert, das ohne den Einsatz nicht regenerierbarer Energie auskommt: Erdwärmetauscher kühlen im Sommer durchströmende Frischluft ab und bieten im Winter eine natürliche Vorwärmung. Bewegliche Schattiereinrichtungen komplettieren die blendfreie Beleuchtung und unterstützen die konvektive Gebäudekühlung.
Konsequente Südorientierung ermöglicht solar-elektrische und solar-thermische Nutzungen. Eine dachintegrierte Photovoltaikanlage wird für eine Leistung von ~10 kW ausgelegt, die Fläche für aktive Systeme beträgt ~105m². Durch Anzeigetafeln kann der jeweils aktuelle Stand der Umwandlung abgelesen werden.
Der hohe Wärmedämmstandard des Niedrigenergiegebäudes unterschreitet den Grenzwert der Energieeinsparverordnung deutlich und leistet einen erheblichen Beitrag zur Minimierung der CO2-Emission.
Die Verwendung von gesundheitsverträgliche Materialien reduziert Gesundheitsrisiken und steigert die Behaglichkeit. So werden Wandflächen mit Lehmputz versehen und mit biologischen Wandfarben behandelt. Alle Holzfenster werden mit gesundheitsverträglichen Lacken versehen, der Fußbodenbelag aus naturnahen Produkten hergestellt.
Fassadenberankung und räumliche Pflanzstrukturen werden als gestalterisches Element an den Fassaden eingesetzt und bieten zahlreichen Kleintieren Lebensraum. Fassadenbepflanzungen tragen zur Beruhigung des Mikroklimas bei (mindern die konvektive Kühlung der Fassade im Winter, vermeiden sommerliche Überhitzung durch Verschattung, bilden Elemente des Feuchtehaushaltes). Außerdem können sich die Nutzer an der im Jahresgang wechselnden Blütenpracht und dem Blütenduft erfreuen. Eine Regenwassersammlung zur Pflanzenbewässerung rundet das Konzept ab.
Die Finanzierung
sollte ausschliesslich durch Sponsoren und über Förderprogramme erfolgen. An der Finanzierung der Baukosten ist das Projekt nicht gescheitert, die Summen waren weitgehend zugesagt. Es gab auch originelle Initiativen, Kleinbeträge von Privatpersonnen einzuwerben. So konnten Sie die Realisierung des Projektes unterstützen, indem Sie einen (oder so viel Sie wollten) Sonnenschein kauften. Ein „Sonnenschein“ kostete 150 EUR (der große Sonnenschein 500 EUR) und konnte bei der Willi-Graf-Oberschule bestellt werden. Der gekaufte Sonnenschein ist eine attraktive Projektdarstellung und wird den Erwerber – es gab doch einige – als Bild oder Urkunde hoffentlich trotz allem – auch heute noch – erfreuen.
Woran es gelegen hat: Letztendlich ist es nicht gelungen, einen Betreiber zu finden, der die wirtschaftlichen Risiken – die Betriebs- und Unterhaltskosten des Gebäudes – tragen konnte.